Mittwoch, 5. Dezember 2018

Die Alben des Jahres 2018

Ultha - The Inextricable Wandering



Ein Album auf Platz 1 zu setzen fällt mir dieses Jahr besonders schwer. Aber müsste ich mich entscheiden, dann wäre das dritte Album der Kölner Black Metal Band Ultha ganz vorne. Sie haben sich von Veröffentlichung zu Veröffentlichung gesteigert, was Vielschichtigkeit, Atmosphäre, Songwriting und Relevanz betrifft und vermengen ihren Black Metal so gekonnt mit Ausflügen in den PostPunk/Goth, dass ich einfach sprachlos bin. We Only Speak In Darkness!



Der Rest wie immer ohne Reihenfolge:


Buzz Kull - New Kind Of Cross 




Der Australier Marc Dwyer mit seinem Zweitwerk, welches eine knappe halbe Stunde feinsten Minimal Synth/Dark Wave/EBM bietet, der zielstrebig Richtung Hits am laufenden Band abbiegt und dabei einmal mehr einen traumatischen Blick gen Darkroom riskiert.
Buzz Buzz!


Dautha - Brethren Of The Black Soil 




Das diesjährige Epic Doom Meisterwerk kommt aus Schweden, besticht durch sonnendurchflutete Melodiebögen, der richtigen Portion Heaviness (sowohl soundtechnisch als auch inhaltlich) und hat mit The Children's Crusade eine Hymne vor dem Herrn am Start, bei der Candlemass die Kerzen ausgeblasen werden. Doooom!


Whispering Sons - Image




Die Belgier um Sängerin Fenne Kuppens mit einer organischen und doch kalten Version von PostPunk/Wave, vorgetragen mit einer tiefen Nico-Gedächtnis-Grabesstimme, raffinierten Arrangements (die Drums!!!) und einer Trostlosigkeit, die perfekt in unsere Zeiten passt. The Gallows Are Patient!


King Dude - Music To Make War To




Alle Jahre wieder kommt das King Dude Kind, oder so. TJ Cowgill entäuscht mich einfach nicht, und jedes Mal fährt er mit neuen Facetten im Sound auf. Dieses Mal verstärkt mit klassischem Gothpop, mit an David Lynch mahnenden Endzeit-Hollywood Schnulzen und dem allseits beliebten Mischmasch aus Americana, Neofolk und PostPunk. Twin Brother Of Jesus, Amen!


Primordial - Exile Amongst The Ruins




Ich konnte mit Primordial lange wenig anfangen, fand Alan Averill ziemlich unsympathisch und überhaupt. Aber dann kam der Song To Hell Or The Hangman, der mich völlig umgehauen hat, mit treibenden PostPunk-Gitarren, Killing Joke-Vibes und einem Album, das mich von vorne bis hinten mehr als gepackt hat. Das ist Dark Metal, Black Metal, PostPunk und darüber hinaus...Nail Their Tongues!


Adam Usi - In Plastique Bloom


Das zweite Album des aus dem Augsburger Umland kommenden Adam Usi ist ein absolutes Meisterwerk an melancholischem Coldwave, treibenden Minimal-Synth Beats und einer Stimme, die in den allerbesten Momenten in einen Schreigesang umschlägt, der einem die Nackenhaare zu Berge stehen lässt. Und Hut ab, sich live nur mit Maschinen bewaffnet auf die Bühne zu stellen und dabei den Gesang noch besser als auf Platte zu bringen. I Hear Distant Voices!


Wolvennest - VOID




Hypnotische Ritualmusick aus Brüssel, Belgien, von einem Künstlerkollektiv, das einlullende repetitive Drone-Gitarren, Black Metal Atmosphäre, allerlei berauschende Substanzen und Krautrock-Monotonie so gekonnt vereint, dass man mit Sängerin Sharon Shazzula willenlos in höhere Sphären eintaucht. La Petite Mort!


Current 93 - The Light Is Leaving Us All




Die Rückkehr des alten Kauzes Teil I. David Tibet besinnt sich auf die 90er, vermengt verstärkt Neofolk Elemente mit Märchenonkel-Erzählstimme anstatt 20-minütiger Drone-Klangexperimente und wagt sich erneut an das klassische Songformat, welches in zurecht zu einem DER Vertreter des sog. Apocalyptic-Folk gemacht hat. Welcome Back Noddy!


Death In June - Essence!




Die Rückkehr des alten Kauzes Teil II. Nach Current 93 lüftet auch Douglas P. seine Gruft und veröffentlicht ein neues Death In June Album, welches sich ebenfalls auf die seligen 90er beruft und nebenbei sein bestes Werk seit langem ist. Die gewohnten Neofolk-Gitarren treffen auf allerlei unterschwellige Sounds und fabrizieren so einen faszinierenden psychedelischen Unterton, den Douglas mit seiner sonoren Stimme aus den Tälern ans Licht führt. Heilige Tod!


One Tail, One Head - Worlds Open, Worlds Collide



 
Fauliger Black Metal aus Trondheim. Das erste und einzige Album (die Norweger haben sich nach der VÖ aufgelöst) besticht durch einen warmen, organischen Sound, der Raserei, Midtempo-Parts und kauzigen Gesang mit allerlei Moder und Dreck verbindet und somit etwas ziemlich Einzigartiges erschafft: klirrende Kälte verpackt in einer Fangopackung Moor, die einem das schwarze Herz erwärmt. The Northern Swamp Thing!


Anna Von Hausswolff - Dead Magic



 
Die Schwedin Anna Von Hausswolff verbindet auf ihrem dritten Album erneut ihr signifikantes Kirchenorgelspiel, ihre Wahnsinnsstimme plus eine nicht zu verleugnende Swans-Schlagseite zu einem stimmigen Monumentalwerk, welches in fünf Songs alle Berg- und Talfahrten auf einmal nimmt, und zwar ohne Gurt. Vanishing Point! 


Cultes Des Ghoules - Sinister, Or Treading The Darker Paths


 
Spooky modriger Black Metal und mehr aus Polen. So wie Cultes Des Ghoules klingt wirklich kaum einer, was bei dem abartigen Gebräu aus Old School Gitarren und Drums, dreckiger Produktion, irren Vocals und einem Gesamtkonzept straight out of dem kranken Gehirn des Gehörnten nicht verwundert. Smells like okkulten Rauchwaren und Tieropfern!


SDH - Semiotics Department Of Heteronyms


  
Minimal Dark Wave aus BarcelonaMit seinen unterkühlten Beats, der sündhaften weiblichen Stimme, dem Gespür für eingängige Melodien und einer Atmosphäre aus dem Kellerloch kann der Erstling dieses Duos mehr als begeistern. Tell Them About The Light!


Drangsal - Zores



Ich kann es mir beim besten Willen nicht erklären, aber irgendwie hab ich das Album echt oft gehört und mag die dekadente Art von Max Gruber alias Drangsal und seine Herangehensweise an 80s-Synthpop mit deutschen Texten. Das ist zum Teil alles sowas von drüber und gerade deswegen einer der wenigen spannenden deutschen Künstler, der den ganzen erbärmlichen Einheitsbrei mit einem Augenaufschlag weghaut, dass es kracht. Love Me Or Leave Me Alone!


Tribulation - Down Below



Die schwedischen Gothic/Death-Metaller Tribulation mit ihrem vierten Album. Die bewährte Formel des letzten Albums aus finsteren Riffs und Melodien, vampireskem Image und knackigerem Songwriting wird gekonnt fortgesetzt und in Auftreten und Artwork zu einem Gesamtkonzept verschmolzen, welches trotz der Theatralik absolut funktioniert. Bela Lugosi's NOT Dead!


QUAL - The Ultimate Climax




William Maybelline (Lebanon Hanover) mit seinem Düster-EBM/Dark Techno Projekt QUAL.
Tanzbar, verstörend, fette BeatsPerMinute, verzerrte Stimme, Nitzer Ebb-Minimalismus, Käfig, S/M, Kartoffelsalat...How Many Graves?


Selofan - Vitrioli


   
Griechischer Dark Wave/PostPunk/Minimal Wave, ähnlich melancholisch aufgestellt wie Lebanon Hanover, aber mit deutlich mehr Wumms und unbedingtem Willen zum Dancefloor. Sweat And Pain Is All You Earn!


Urfaust - The Constellatory Practice




Die Weirdos aus Holland sind zurück und werden von Mal zu Mal hypnotischer. Ob das mit bestimmten grünen Substanzen zusammenhängt, sei mal dahingestellt. Fest steht, dass Urfaust die wahren Meister im dünn besiedelten Feld zwischen Transcendental Black Metal, Doom, Kauzmetal und Ambient sind. (Himbeer-)Geist ist Teufel!


Lebanon Hanover - Let Them Be Alien


   
Das bereits fünfte Album des deutsch/englischen PostPunk/Wave-Duos Lebanon Hanover. Wie gewohnt mit düsterer nebliger Atmosphäre, weniger verträumt als das letzte Werk und gepaart mit den beiden dunklen Stimmen von Larissa Iceglass und William Maybelline. Und das alles auf dem Silbertablett serviert; mit einem Augenzwinkern und subtilem Humor, was der Szene mehr als gut tut. Gravity Sucks!


Herz Jühning - Samsara


   
Und zu guter Letzt das zweite Album des Industrial/Angst Pop-Projekts Herz Jühning, auf meinem Lieblingslabel Galakthorrö. Und wenn man das Label kennt, weiß man, was einen erwartet.....analoge Synthschleifen, kalte Beats, trostlose Stimme.....herrlich. Dieses Mal mit erhöhtem "Hit"-Faktor, falls man sowas in diesem Genre überhaupt verorten kann. Angst Pop...Krank Pop!



EPs, Reissues:

Lille Roger - Undead 1984–1987 [6-LP Boxset vom Vorläufer von Brighter Death Now und dem Gründer von Cold Meat Industry; Powerelectronics, Noise, Industrial, Angst Pop vom Feinsten, wie gewohnt mit kaputtem Humor galore]
Gewalt - div. 7''s [Patrick Wagner Superstar mit Big Black'scher Noise-Kaputtheit]
Swans - Soundtracks For The Blind [mein liebstes Swans-Album, endlich als 4-LP-Reissue]
Nine Inch Nails - Bad Witch [Trent Reznor wird irgendwie immer besser, tolle EP mit allerlei Überraschungen, u.a. eine Saxofon-Bowie-Verneigung]
Tanz Ohne Musik - Night [Galakthorrö Teil II, das rumänische Ein-Mann-Projekt passt wie Arsch auf Eimer zum Label]
Myrkur - Juniper [folkige neue 7'' von einer meiner absoluten Lieblingskünstlerinnen der letzten Jahre]



Honorable Mentions:

Kaelan Mikla - Nótt Eftir Nótt
Hooded Menace - Ossuarium Silhouettes Unhallowed
Die Nerven - Fake
Idles - Joy As An Act Of Resistance
John Maus - Addendum
At The Gates - To Drink From The Night Itself
Rendez-Vous - Superior State
Ash Code - Perspektive
Stockhaussen - XXI
Horror Vacui - New Wave Of Fear
Zeal & Ardor - Stranger Fruit
Slaegt - The Wheel
Passing - s/t
Evoken - Hypnagogia
Vouna - s/t

Sonntag, 2. Dezember 2018

Death In June - Essence! (Neues Album)

2018 scheint das Comeback-Jahr der alten Neofolk-Helden zu sein, passend zu den vielen ereignisreichen Wochen und Monaten, die so geballt in der Form auch noch nie passiert sind.
Zuerst legte David Tibet und seine guten alten Current 93 mit The Light Is Leaving Us All ein Album vor, welches an selige Thunder Perfect Mind Zeiten erinnert, d.h. wieder verstärkt mehr Folk als Klangexperimente zu bieten hat. Darüber die allseits beliebte Apocalyptic-Märchenonkel-Erzählstimme des Herrn Tibet, der uns allen das Licht ausknipst.

Und plötzlich traut sich auch Douglas P. aka Death In June aus der staubigen Versenkung und schenkt der Welt ein neues Album namens Essence!, welches nach mehrmaligem Hören mit zu seinen besten Werken seit Rose Clouds.... zählt. 
Sonore tiefe Stimme trifft auf doch ausgeklügelte Acoustic-Gitarren und allerlei unterschwellige Klangexperimente, die dem Ganzen eine schön schräge psychedelische Note verleihen.
Und ich bin irgendwie totaler Fan des Artworks, treffender als mit einer roten Henkersmaske kann man das nicht machen.
Hier der Stream auf Bandcamp: